Nepomuck ist ein lustiger kleiner Kobold, der mit seiner Familie in einem Kobolddorf in Norwegen wohnt. Er hilft dem Weihnachtsmann beim Geschenke verpacken in der Weihnachtswerkstatt und landet aus Versehen in einem dieser Päckchen. So tritt er nun im Schlitten des Weihnachtsmanns seine Reise in die Welt der Menschen an Welch spannende Abenteuer wird Nepomuck dort wohl erleben und wird er bei den Menschen ein neues Zuhause finden?

 

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Die Familiensaga
In der Nacht gibt es ein Gewitter, und am nächsten Tag regnet es. Wir können nicht raus, weil die Lichtung matschig ist und langweilen uns im Zelt.
„Zum Glück ist das Ding wasserdicht.“, meint Vater. Ich schaue nach draußen. Es regnet Bindfäden, und die Kobolde lassen sich nicht blicken. Wie langweilig!
„Ich habe Hunger!“, murrt Lily verdrossen. Aber außer Keksen und Limonade ist nichts mehr im Zelt. Es hilft alles nichts, Vater muss zum Auto und Konserven aus dem Kofferraum holen.
Er kommt völlig durchnässt und mit zwei prall gefüllten Tüten zurück. H- Milch und Schokopulver hat er auch mitgebracht, sehr gut. „Du bringst den ganzen Matsch mit ins Zelt!“, ruft Mutter verärgert. „Na, meine Schuhe kann ich bei dem Regen aber nicht draußen lassen!“ Vater ist nun ebenfalls sauer und stellt die nassen Schuhe mitten im Weg ab. Unser Zelt besteht aus zwei Teilen, der vordere Teil dient zum Essen und Wohnen und die Kabine hinten zum Schlafen. Im vorderen Teil steht nur ein kleiner roter Tisch mit zwei daran befestigten Bänken. Alles aus Plastik und abmontierbar. Vater öffnet Konserven mit Rindfleisch, Mettwurst und Ananas. Dazu gibt es Zwieback und kalten Kakao.
Es kruschelt am Eingang und Nepomuck steckt seinen nassen Kopf durch die Öffnung.
„Dürfen wir reinkommen?“, fragt er höflich. Kurz darauf wimmelt das Zelt nur so von Kobolden, die ihre schlammigen Fußabdrücke überall hinterlassen. Mutter verdreht die Augen. Die kleinen Gäste verschmähen unser Dosenfutter und halten sich lieber an die Kekse.
„Hoffentlich regnet es nicht tagelang.“, seufzt Vater missmutig. Nepomuck schüttelt den Kopf: „Nein, Dauerregen ist hier selten. Meist regnet es nur kurz mal ab. Ihr werdet sehen, bald scheint die Sonne schon wieder!“ Das klingt beruhigend und das Frühstück schmeckt gleich doppelt so gut. Das finden die Kobolde auch und krümeln mit vereinten Kräften den ganzen Zeltboden voll. Mutter stöhnt leise. Plötzlich fragt Nepomuck mit vollem Mund: „Weiß denn keiner eine Geschichte? Es ist so langweilig!“
Da meldet sich eine ältere Kobolddame mit Knubbelnase und einem flotten Knoten im schneeweißen Haar zu Wort. „Spricht sie denn kein Deutsch?“, frage ich Nepomuck enttäuscht. „Nöö, nur Koboldisch, Norwegisch und Rumänisch. Aber keine Bange, ich übersetze euch die Geschichte. Sie erzählt nämlich die Koboldsaga der Familie Karamio. Und sie ist meine Großmutter, müsst ihr wissen!“ Dann beginnt die Oma zu erzählen, und Nepomuck übersetzt:
„Also, vor langer Zeit einmal, da wohnten unsere Vorfahren in den Karpaten im wunderschönen Land Rumänien. Sie lebten in den tiefen dunklen Wäldern, in die nie ein Sonnenstrahl dringt. Dort verbargen sie sich in einfachen Erdhöhlen und ernährten sich bescheiden von den Früchten des Waldes. Ganz in der Nähe gab es jedoch ein düsteres altes Schloss, das von den Menschen des Dorfes gemieden wurde. Uns war das ganz recht, denn so hatten auch wir unsere Ruhe. Wir wussten, dass es keine freundlichen Menschen waren, die dort am Waldrand wohnten. Wir mochten das Schloss, und des Nachts flogen unzählige Fledermäuse um seine Türme. Das Schicksal wollte es, dass der Graf, der in dem Schloss wohnte, eines Tages durch unser Gebiet ritt und vom Pferd stürzte. Er fügte sich dabei eine furchtbare Wunde zu, und gutmütig wie wir Kobolde nun einmal sind, eilten wir ihm zu Hilfe. Wir haben immer spezielle Salben und Tinkturen für derartige Fälle zur Hand, müsst ihr wissen.
Nun, wir pflegten den Grafen also gesund. Ich war damals noch ein kleines Mädchen, aber ich kann mich ganz genau an alles erinnern. Der Graf bedankte sich und lud uns von da an immer öfter in sein prächtiges Schloss ein, wo er uns Kekse und edlen Wein servieren ließ. Bis dahin hatten wir uns hauptsächlich von Waldbeeren und Tannenzapfen ernährt.
Nun, eines Abends waren wir gerade wieder einmal zu Besuch im Schloss und knabberten unsere rotbraunen Kekse, sie waren ganz besonders knusprig und hatten einen leicht salzigen Geschmack, wirklich delikat, sage ich euch, da wurde es draußen plötzlich laut. Menschen, Hunderte von Menschen mit brennenden Fackeln in den Händen stürmten das Schloss. Wir mussten fliehen, denn sie steckten das Schloss in Brand. Mit Mühe und Not konnten wir entkommen.“ Die alte Dame sieht aus, als würde sie alles noch einmal erleben. Die Spannung knistert förmlich im Zelt und wir halten unwillkürlich den Atem an.
„Der Graf nahm uns mit, quer durch Europa ging unsere Flucht auf der Suche nach einer neuen Heimat. So kamen wir eines Tages auch nach Norwegen. Die schönen tiefen Wälder erinnerten uns so sehr an unsere alte Heimat, dass wir beschlossen, hier zu bleiben. Der Graf aber zog weiter in ein Land namens England. Dort wollte er nach Verwandten suchen. So trennten sich unsere Wege und wir haben nie wieder von ihm gehört. Aber etwas von ihm ist uns für immer erhalten geblieben.“ Sie lächelt verschwörerisch in die Runde und zeigt dabei zwei spitze Eckzähne. Mir läuft ein wohliger Schauer über den Rücken. „Ja, etwas ist uns geblieben aus unserer Zeit mit dem liebenswürdigen Grafen: unsere Vorliebe für Kekse. Auch wenn wir den speziellen Geschmack noch nicht ganz hinkriegen. Wir haben schon alle Früchte, die wir kennen in den Teig gegeben, aber es ist nie ganz derselbe Geschmack!“
© Chrisitne Erdiç