Kobold Nepomuck entführt euch in die bunte Welt der Märchen. Und hier ist allerlei los! Das ganze Zauberland steht Kopf, denn der vergessliche Zauberer Ugoblix hat sein Zauberbuch verlegt, Ginny findet sich an ihrem siebten Geburtstag plötzlich im Elfenland wieder, Nepomuck reist mit einem Flaschengeist durch die Lüfte und Jenny versucht das Märchenland zu retten, das die Hexe Babula in einem See aus flüssiger Schokolade ertränken will.
Zu jedem der 14 spannenden Märchen gibt es ein lustiges Ausmalbild - so können die kleinen Leser das Buch ganz individuell mitgestalten.
Neugierig geworden? Dann auf ins Märchenland!

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Das verwunschene Ei
Es war einmal an einem wunderschönen Frühlingsmorgen.
Die Eule wollte sich gerade zur Ruhe begeben und streckte erstaunt ihren Kopf wieder unter dem Flügel hervor.
„Ach ja, der Nepomuck, wer kann es auch anderes sein?“, murmelte sie schlaftrunken.
Der kleine Koboldjunge aber wanderte munter weiter, in den noch etwas schummerigen Wald hinein, der das Kobolddorf umgab. Vielleicht konnte er von den Waldbienen ja ein wenig Honig zum Frühstück erbetteln. Meistens waren die aber recht geizig damit. Und richtig! Die Biene, die er höflich bat, schaute verärgert über die morgendliche Störung aus ihrem Stock heraus. „Oh nein, nicht schon wieder du, Nepomuck!“, surrte sie. „Alte Geizbiene“, murmelte der Kobold und machte sich flink vom Acker. Wer weiß, nachher stach die ihn noch!
Er ging weiter seines Weges und pfiff dabei vor sich hin.
Auf der Lichtung blieb er verwundert stehen. Dort saß eine Hasenfamilie neben Körben mit Eiern. Nepomuck zählte sieben Kinder und zwei größere Hasen - die Eltern sicherlich. Auf dem Rasen lagen schon ganz viele bunt bemalte Eier.
„Guten Morgen!“, rief Nepomuck fröhlich. Vater Hase schielte den Kobold unter seiner Brille hervor an. „Guten Morgen“, antwortete er und bemalte gleich darauf weiter das Ei, das in einem Holzständer vor ihm stand.
„Oh, so ein lieber Gast am Morgen“, lächelte die Hasen-mutter freundlich. Sie trug eine hübsche rote Schürze, die über und über mit Farbspritzern bekleckst war. Die Hasenkinder sprangen ausgelassen um den Kobold herum, fassten sich bei den Händen und sangen lustige Lieder.
„Wir schaffen unsere Arbeit nicht, wenn ihr so weiter-macht“, brummte der Vater und schaute sorgenvoll auf all die weißen und braunen Hühnereier, die noch darauf warteten, angemalt zu werden. „Morgen in aller Frühe müssen wir bunte Eier in den Gärten und Stuben der Menschenkinder verstecken, denn morgen ist Ostersonntag!“
Nepomuck, der kleine Künstler, der im Kobolddorf schon so manche Eingangstür fantasievoll verschönert hat, überlegte nicht lang: „Ich helfe euch gern!“
Und so malte der Kobold mit einem winzigen Pinsel ge-schickt feine Muster, ja sogar Tiere und Blumen, auf die gekochten Eier. Wahre Kunstwerke entstanden, und die Hasenkinder klatschten jubelnd in die Hände. Der Hasenvater war nun gar nicht mehr brummig und nickte Nepomuck anerkennend zu.
„Da klopft etwas an die Schale!“ Erstaunt sah der Wald-schrat auf das riesige und schwere Ei, das er gerade aus dem Korb heben wollte.
Die Hasenmutter runzelte sorgenvoll die Stirn. Die Henne, von der sie die Eier bezogen, würde doch wohl keinen Fehler gemacht und ein befruchtetes herausgegeben haben?
Es pochte stärker, und jetzt bekam die Schale zu allem Überfluss auch noch Risse und - sprang auf.
Entsetzt machten die herbeigeeilten Hasenkinder einen Satz nach hinten. Doch was war denn nun eigentlich in dem Ei?
Nepomuck traute seinen Augen kaum: Ein kleiner goldener Drache lugte neugierig heraus, dehnte seine Schwingen und reckte und streckte sich. Munter schaute er in die Runde.
„Wieder so ein übler Streich der Koboldhexe!“, entfuhr es dem erbosten Hasenvater. „Wenn der Drache erst morgen geschlüpft wäre, dann hätte er sicherlich große Angst unter den Menschen verbreitet! Der Hexe fällt aber auch jedes Jahr etwas anderes ein!“
„Darf ich ihn behalten?“ Nepomuck sprang aufgeregt von einem Bein auf das andere. Das Drachenbaby stieß prü-fend eine kleine Rauchwolke durch seine Nasenlöcher und schaute ihr nach, wie sie sich langsam im Blau des Himmels auflöste.
„Der Drache wird aber nicht lange so klein bleiben. Und später wird er Feuer ausstoßen statt Rauch. Noch ist er erst am Üben“, warnte der Hasenvater besorgt.
„Kobolde und Drachen vertragen sich meist sehr gut“, widersprach der kleine Kerl und strich dem zischenden Tier liebevoll über den Kopf. „Ich werde dich Nestor nennen!“
Und so zog Nepomuck mit Nestor, der noch ein wenig wackelig auf den Beinen war, von dannen. Sie wurden bald sehr gute Freunde, doch der Drache wollte nicht wachsen, er blieb ein Winzling, und so konnte keines der Koboldkinder je auf ihm fliegen.
„Wahrscheinlich auch wieder ein Zauber der Hexe“, fuhr es Nepomuck durch den Kopf.
Der golden schimmernde Nestor aber saß am liebsten auf einem Stein vor dem eierförmigen Koboldhaus und sonnte sich. So wurde er Zierde des Dorfes und Bewacher zugleich.
Und wenn er nicht weggeflogen ist, dann schmückt er Nepomucks Häuschen sicherlich noch heute.
© Christine Erdiç