Einfach nur ICH...und ich lebe immer noch Ich folgte dem Vater meiner zweijährigen Tochter, als er beschloss in seine Heimat Kalabrien zurück zu kehren. In Italien war alles anders, doch ich fügte mich in dieses neue Leben. Es blieb auch nicht bei einem Kind, sondern es folgten weitere 4 Kinder, die ich über alles liebe. Es kamen weitere Probleme, die mich teilweise zermürbten. Ich musste stark bleiben, für alle, auch dann als ich erfuhr, dass ich HIV-positiv bin und das tödlich enden wird,irgendwann.

 

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Daggi wird depressiv
Ja, diese Zeiten gab es öfters in meinem Leben. Es waren immer nur die Kinder, die mir halfen, aus diesem dunklen Loch wieder rauszukommen. Als sie noch klein waren, war es einfach die Notwendigkeit, die mich auf den Beinen hielt. Sie wären ja ohne mich verhungert, nicht in die Schule gegangen und vergammelt.
Mein Mann machte damals keinerlei Anstalten, sich um sie zu kümmern, wenn ich morgens nicht die Kraft fand aufzustehen. Er blieb einfach auch liegen und wartete ab, was geschehen würde.
Meistens beim ersten Schrei meiner Kinder: „Mama ich habe aber Hunger!“, oder ähnlichen Hilferufen nahm ich all meine Kraft zusammen und rappelte mich auf.
Kam schon mal vor, dass sie ein oder zwei Tage unentschuldigt in der Schule fehlten, aber da kräht hier kein Hahn danach. Selbst dann nicht, wenn sie wochenlang fehlen würden.
Richtig schlimm mit den Depressionen wurde es, als der Kampf mit den deutschen Behörden begann. Da schaffte ich es dann wirklich nicht mehr und suchte ärztliche Hilfe.
Aber jetzt mal schön der Reihe nach.
Mein Leben als Erwachsene war von Anfang an nicht leicht, weil ich viel zu früh und ungewollt aus dem Elternhaus auszog. Meine Erlebnisse danach in Sizilien prägten mich fürs ganze Leben. Zunächst mein „Freund“, dann die Freier vermittelten mir ein ganz falsches Bild von der Männerwelt. Ich scherte alle über einen Kamm, glaubte, dass Männer außer Sex nichts von Frauen wollen.
Auch meinen Mann schloss ich nicht aus davon, denn er hatte besondere Vorstellungen, was das intime Verhältnis zwischen Mann und Frau betraf. Ich war ja einiges gewohnt, aber seine Vorstellungen übertrafen das, was ich von Freiern kannte, noch um Längen. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich ihm das ausreden konnte, und wir ein halbwegs normales Eheleben führten.
Sich als Frau seinem Mann zu verweigern, ist ein absolutes NO-GO bei Italienern, aber ich praktizierte es einfach so lange, bis er seine „Sonderwünsche“ wegließ und mit dem zufrieden war, was ich zu geben bereit war.
Er machte mir nie Vorwürfe, was meine Vergangenheit anbetraf, und ich ihm ebenso wenig, denn er war auch kein unbeschriebenes Blatt für mich. Drogendealer und geschieden zu sein, ist auch nicht gerade die beste Visitenkarte.
Nur in den Situationen im Ehebett erinnerte er mich gern daran, wozu ich früher alles bereit gewesen war und es dann, als wir verheiratet waren und Kinder hatten, nicht mehr war. Genau das verletzte mich tief, denn ich wollte vergessen und er riss immer wieder alte Wunden auf. Das verstärkte meine Depressionen noch.
Nicht nur, dass wir trotz der monatlichen Unterstützung aus Deutschland nur sehr schwer über die Runden kamen, denn die Kinder wurden größer und dementsprechend steigerten sich ihre Ansprüche. Mich beunruhigte auch, dass es keine Zukunftsaussichten gab. Es würde sich nie etwas ändern, dachte ich.
Aber da lag ich falsch. Es änderte sich sehr viel, doch durch diese Veränderungen wurde nichts besser, sondern es kam noch dicker.
© Daggi Geiselmann