Sobald das Weihnachtsfest zur Pflichtveranstaltung wird, ist der Familienfrieden schnell gestört. Mit etwas Fantasie und Einfallsreichtum kann jeder das Beste für sich und seine Lieben daraus machen, sodass sogar die Schwiegermutter strahlt und die pubertierenden Kinder die Feiertage auf einmal gar nicht mehr so ätzend finden ...

"Harmonie zur Weihnachtszeit" enthält Geschichten rund ums beliebteste Fest des Jahres.

 

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Es war einmal vor langer, langer Zeit ein neunjähriges Mädchen namens Klara, die mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Michael in einer Waldhütte lebte. Die Mutter wurde von den Menschen in den Nachbardörfern hoch geschätzt, denn sie war eine Heilerin, die sich auf die Kunst der Herstellung von Medizin verstand. Deshalb wurde sie von den Obersten der Kirche als Hexe verfolgt, sodass sie versteckt leben musste.

Klara half ihrer Mutter, indem sie sich um Michael, der erst sechs Monate alt war, kümmerte. Oft wurde die Mutter zu Kranken gerufen, sodass die Kinder allein in der Hütte zurückbleiben mussten. Klara hatte immer wieder erzählt bekommen, was sie tun muss, falls ihre Mutter eines Tages nicht wieder nach Hause kommen sollte.

Eines Morgens erwachte sie, weil Michael vor Hunger schrie. Da sie nachts immer eng an ihre Mutter gekuschelt schlief, bemerkte sie nun, dass diese nicht da war.

„Ach, Michael“, seufzte sie, „ich komme ja schon.“

Schnell stand sie auf und lief in den Stall, um die Ziege zu melken, denn am wichtigsten war vorerst, dass das Baby leise ist, damit kein Fremder auf ihre versteckte Unterkunft aufmerksam wurde.

Nachdem sie den Kleinen versorgt hatte und dieser leise brabbelnd in seiner Wiege lag, zog sie sich an und bereitete das Frühstück vor. Eigentlich wartete sie immer damit, weil ihre Mutter, wenn sie nachts unterwegs war, bald wieder zurückkam. An diesem Tag wartete sie jedoch vergebens. Die Zeit verstrich langsam und Klara wurde immer unruhiger.

Es war ein regnerischer Tag, sodass sie Michael zum Schlafen nicht wie sonst unter die große Eiche legen konnte. Die Feuerstelle qualmte etwas, weil das Holz feucht war, deshalb musste Michael ständig husten und konnte einfach nicht einschlafen. Laufend schrie er und Klara hatte viel zu tun, um ihn zu beruhigen.

Sie nahm sich ein Tuch und band sich das Baby an die Brust, sodass der Kleine durch den Körperkontakt einschlummerte. Leise summte sie Lieder, nur damit er nicht so bald wieder erwachte.

Immerzu lauschte sie und schaute aus dem Fenster, aber von der Mutter war nichts zu sehen und auch nichts zu hören.

Am Abend fand sie keine Ruhe, weil ihre Sorge immer größer wurde.

„Mama, wo bist du?“, flüsterte sie in die Dunkelheit.

Ihre Gedanken kreisten um alle möglichen Geschehnisse, die der Mutter zugestoßen sein könnten. Sie zog das Baby dicht an sich heran und versuchte, die Einsamkeit und das Gefühl des Verlassenseins zu verscheuchen. Ihre Mutter hatte ihr oft Geschichten von einem Weihnachtsengel erzählt und so bat sie in Gedanken diesen um Hilfe.

Als die Mutter nach drei Tagen immer noch nicht zurück war, war sich Klara bewusst, dass sie nun nicht mehr umhin kam und Mutters Rat befolgen musste.

„Nur noch ein Nacht bleibe ich“, sagte sie vor sich hin und betete: „Lieber Weihnachtsengel, bitte lass Mama zurückkommen.“

 

© Heidi Dahlsen