Wann haben Sie Ihrem Kind das letzte Mal vorgelesen? Bereits in den ersten Jahren eines Kindes wird der Grundstein für Bildung, auch durch Vorlesen, gelegt. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Und nicht nur das. Es verbindet sogar noch, gemeinsam mit dem Nachwuchs zu lesen. Zusammen macht es doch viel mehr Spaß.
Und genau das können Sie mit Kummers Kindergeschichten 2. Hier laden 20 Erzählungen zum Selbst- oder Vorlesen ein. Mal spannend, lustig oder traurig. Hier und da fließt Fantasie oder etwas zum Nachdenken in Form von kleinen Botschaften ein.
Auch wieder mit einer wunderbaren Erzählung vertreten ist die kleine Gastautorin Melissa (6 Jahre). Sie schilderte ihrer Oma Autorin Heidi Dahlsen die Geschichte „Alarm im Dschungel“, die diese dann für sie aufschrieb.
Und als zusätzliches Bonbon gibt es noch interessante Leseproben aus Kinderbüchern, die schon so manches Kinderherz begeistert haben.

 

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Der Schutzengel

Ich bin ein Engel und möchte Euch erzählen, was unsere Aufgaben sind. Es gibt sehr viele von uns. Wir sitzen auf den Wolken und beobachten euch Menschen von da.
Ich bin ein sogenannter Schutzengel und begleite meinen Menschen Tag und Nacht. Sie heißt Laura, und ich habe alle Hände voll zu tun, damit ihr nichts geschieht.
Mein Mädchen ist sehr oft mit ihren Gedanken woanders und träumt vor sich hin. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft sie früher mit ihrem Dreirad und später mit dem Fahrrad gestürzt ist, aber mehr als ein paar Kratzer, hat sie glücklicherweise nie davon getragen. Aber seitdem sie ein Smartphone hat, ist es wirklich nicht mehr lustig. Sie starrt nur noch auf das Display und bekommt um sich herum nichts mehr mit. Inzwischen habe ich sogar noch einen Engel an meine Seite gestellt bekommen, weil es einfach unmöglich ist, sie immer im Auge zu behalten. Erst gestern haben wir sie davor bewahrt, vor einen Baum zu laufen, weil sie mit ihren Gedanken wieder ganz woanders war und immer nur auf dieses blöde Ding gestarrt hat.
Doch eines Tages kam es wie es kommen musste. Laura war wieder einmal zu spät für den Schulbus. Sie rannte mit dem Smartphone in der Hand über die Straße, achtete natürlich nicht auf den Verkehr, und da war es auch schon geschehen. Sie wurde von einem Auto angefahren. Den Fahrer traf keinerlei Schuld. Er hatte überhaupt keine Möglichkeit, ihr auszuweichen.
Der gerufene Krankenwagen brachte sie mit Blaulicht ins Krankenhaus, aber glücklicherweise war es nicht so schlimm, wie es auf den ersten Blick aussah. Mehr als eine Beule am Kopf und ein paar Abschürfungen trug sie nicht davon. Dennoch behielt man sie ein paar Tage zur Beobachtung da.
Als sie entlassen wurde, sagte der Arzt nur zu ihr: „Mädchen, du musst wirklich einen Schutzengel gehabt haben. Du glaubst gar nicht, was schon alles bei so einem Unfall passiert ist. Dabei sind sogar schon Menschen gestorben. Fordere das bitte nicht noch einmal heraus. Warum lauft ihr immer mit diesen Dingern in der Hand herum? Ihr bekommt doch überhaupt nichts mit, wenn ihr immer auf das Display schaut. Kannst du mir das erklären? Ich begreife es nämlich nicht. Ist dieses Gerät es wert, sein Leben aufs Spiel zu setzen?“
Laura errötete, schaute den Arzt verlegen an, senkte dann den Kopf, sagte aber nichts. Was sollte sie auch groß antworten, er hatte ja Recht.
Abends im Bett dachte sie über die Worte des Doktors nach. Früher hatte sie nie an Engel geglaubt, aber vielleicht gab es sie doch, diese Schutzengel. Denn eins war ganz klar, sie hatte wirklich großes Glück gehabt.
Dieses Erlebnis hatte einen bleibenden Eindruck bei Laura hinterlassen. Von diesem Tag an ging sie mit offenen Augen durch die Welt und träumte nicht mehr vor sich hin, was es mir bedeutend einfacher machte, auf sie aufzupassen. Denkt immer daran, auch wenn ihr uns nicht sehen könnt, wir sind da und passen drauf auf, dass nichts geschieht. Vielleicht spürt ihr ja mal einen leichten Luftzug in der Nähe. Das könnte euer Schutzengel sein.
© Britta Kummer