Wenn man nur vorher wüsste, welche Entscheidung die richtige oder wenigstens die günstigere wäre.
Aber – wer weiß das schon?
Christine, Oliver, Lydia und Jutta sind Mitte dreißig, als sie sich wiedertreffen.
Als Schulfreunde waren sie einst unzertrennlich und hatten große Pläne für die Zukunft. Jetzt müssen sie jedoch feststellen, dass ihnen so manche Fehlentscheidung, die sie mit jugendlichem Leichtsinn selbstbewusst getroffen haben, das Leben ganz schön schwer macht.
Jutta, die nach der überstürzten Trennung von ihrem Mann eigentlich erst einmal zur Ruhe kommen wollte, erlebt ein Gefühlschaos nach dem anderen.
Olivers Eheglück wird nicht nur von seinem Schwiegervater bedroht – auch beruflich bahnt sich eine Katastrophe an.
Lydia wird der Albtraum, den sie als junges Mädchen erlebte, wieder bewusst.
Nur Christine führt ein harmonisches Leben – doch auch dieser Schein trügt.
Unter dem Motto "Gemeinsam haut uns nichts so schnell um" stehen sie sich wieder bei, um den Alltag leichter ertragen zu können.
Ein Trost bleibt, denn – alles wird gut … irgendwann.

 

https://www.amazon.de/Alles-wird-gut-Heidi-Dahlsen/dp/3746707544/ref=sr_1_4?s=books&ie=UTF8&qid=1523861487&sr=1-4

 

Allmählich wird Jutta bewusst, dass sie es wirklich getan hat. Irgendwie überstürzt war ihr Aufbruch schon, aber wenn sie ihren Mann erst um sein Einverständnis gebeten hätte, wäre sie nie von ihm weggekommen. Sie kann sich nicht erinnern, was der Auslöser war. Plötzlich hatte sie dieses überwältigende Gefühl – bloß weg hier. Nur gut, dass sie nicht weiter darüber nachgedacht hat. Sie schmiedete auf einmal neue Pläne für ihr weiteres Leben. Rüdiger kam darin nicht mehr vor. Sie musste leider feststellen, dass die Entscheidung, Rüdiger zu heiraten, falsch war. Das entschuldigt sie mit jugendlichem Leichtsinn. In den letzten Jahren hatte sie jedoch schwer daran zu knabbern. Ob der Umzug in ihre Heimatstadt wirklich richtig war, wird die Zukunft zeigen.
Sie ist gerade mit dem Einräumen des Wohnzimmers fertig, setzt sich in einen Sessel, lässt ihren Blick über die spärliche Einrichtung schweifen und denkt: "Na ja, etwas kahl ist mein neues Zuhause schon und das Echo, das meine Schritte auslösen, ist auch beträchtlich. Ich werde einen großen Teppich und viele Grünpflanzen besorgen, dann wird es sicher etwas wohnlicher. Obwohl – wenn ich die freien Flächen alle mit Blumen ausfülle, sieht es hier aus wie im Botanischen Garten. Das hat aber den Vorteil, dass ich Eintritt nehmen kann, wenn Besuch kommt."
Eigentlich sieht man nach einer Trennung leidend aus und nimmt ab. Bei ihr ist das absolut nicht der Fall. Ihr Appetit ist mit so einer Wucht zurückgekehrt, dass sie sich über das Ausmaß bald Sorgen machen muss.
"Leider", denkt sie jedes Mal, wenn sie feststellt, dass die meisten ihrer Blusen und Shirts bereits eine leichte Spannung aufweisen und ihre Lieblingshose die Elastizität des Materials ziemlich ausschöpft.
Sie schaut in den großen Spiegel im Flur, betrachtet sich skeptisch und spielt das Problem herunter: "Wenn ich meinen Bauch noch ein kleines Stück einziehen könnte, würde die Hose auch nicht kneifen. Vielleicht sollte ich versuchen, mehr aus- als einzuatmen. Eigentlich sollen schwarze Klamotten und Längsstreifen schlank machen. Pah! Das halte ich für ein Gerücht."
Ihr ist sehr wohl klar, dass es absolut keine Lösung wäre, einfach nichts mehr zu essen, denn dann fällt sie bald vor Schwäche um. Stark sein muss sie jetzt – vor allem für ihre Tochter Jenny.
In ihrem Kühlschrank findet sie fast nichts mehr, um ein Abendessen zuzubereiten, deshalb macht sie sich auf den Weg zum Supermarkt.
Völlig in Gedanken geht sie durch die Regalreihen und überlegt, was sie noch alles benötigt. Als sie gegen einen Einkaufswagen stößt, sieht sie erschrocken hoch und sagt: "Oh, Entschuldigung."
"Macht nichts. Es ist nichts passiert", erhält sie freundlich zur Antwort.
Jutta betrachtet die junge Frau genauer und staunt nicht schlecht, als sie in ihr eine alte Schulfreundin erkennt.
"Lydia", sagt sie erfreut.
"Ja", sagt Lydia etwas verwundert, denn die Stimme ist ihr nicht vertraut.
Als sie in Juttas freudestrahlendes Gesicht sieht, ist sie ebenfalls überrascht.
"Jutta, was machst du denn hier?"
"Ich bin vergangenes Wochenende umgezogen", antwortet diese und betrachtet Lydia neugierig.
"Wie lange haben wir uns nicht gesehen? Das müssen ungefähr achtzehn Jahre sein", stellt Lydia fest, "und wenn ich dich so anschaue, muss ich sagen, dass es eine viel zu lange Zeit war. Du bist erwachsen geworden und siehst einfach super aus. Das Leuchten deines kastanienbraunen Haares habe ich früher schon bewundert. Dass du es jetzt bis zur Hüfte hast wachsen lassen, kaschiert etwas deine Größe und zeigt, wie wundervoll es ist. Ich bin beeindruckt. Ich fand es immer schade, dass deine Eltern von dir verlangt haben, mit einem Bubikopf rumzulaufen."
"Dafür hast du jetzt einen Bubikopf", stellt Jutta amüsiert fest.
"Ja. Aber freiwillig. Das ist für mich praktischer", antwortet Lydia. "Christine wird sich auch freuen, dass du wieder da bist. Sie hat letztens erst gesagt, dass sie gern wissen möchte, wie es dir wohl geht."
"Du hast noch Kontakt zu Christine?", fragt Jutta.
"Ja", antwortet Lydia. "Sie wohnt immer noch in ihrem Elternhaus in der Waldsiedlung, in dem wir uns früher alle so wohl gefühlt haben. Hättest du Lust, mit zu mir zu kommen? Dann können wir uns in Ruhe unterhalten."
"Ich bin zwar noch im Umzugsstress, aber es drängt mich niemand. Die vollen Kartons warten sicher auf mich. Es bleibt ihnen ja nichts anderes übrig. Seit Tagen bin ich allein in der neuen Wohnung. Meine Stimme ist schon fast eingerostet", lacht Jutta. "Wenn du Zeit hast, komme ich gern mit."
"Das ist kein Problem. Ich arbeite zu Hause und kann mir den Tag einteilen."
Jutta ist erstaunt und fragt: "Wolltest du nicht Lehrerin werden?"
"Wolltest? Du meinst wohl – solltest. Das konnte ich gerade noch verhindern. Aber das ist eine Geschichte für sich."
Als die beiden jungen Frauen in Lydias Wohnung angekommen sind, sieht Jutta sich um und sagt begeistert: "Ich bin immer davon ausgegangen, dass man in einem Dachgeschoss kaum Möglichkeiten hat, sich gemütlich einzurichten. Aber hier werde ich eines Besseren belehrt."
"Die Wohnfläche ist etwas klein, aber für mich reicht es", sagt Lydia. "Die Einbaumöbel konnte ich von meinem Vormieter übernehmen, und die Dachterrasse hat eine Firma gestaltet. Du siehst also, dass ich selbst nicht viel dazu beigetragen habe."
© Heidi Dahlsen